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Anmerkungen zur Kritik am Spekulantentum, erster Entwurf erstellt am 29.03. veröffentlicht am 06.04.2010
(Teil II unserer CDS-Litanei)
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In diesen Tagen, da so viel űber die Spekulanten geschimpft und, u.a. von Professor Stiglitz, darauf verwiesen
wird, dass es doch nicht vernűnftig sein könne, wenn es mehr Spekulanten als Produzenten gibt, da ist es sicher
hilfreich, sich noch einmal die folgenden Fakten vor Auge zu fűhren:

    1) Auch Spekulanten fallen nicht vom Himmel

Wenn es in unsere westlichen Welt so viele Spekulanten gibt, dann hat das etwa damit zu tun, dass zu viele Leute
darin gibt, die zwar  ein schönes und angenehmes Leben haben wollen, die aber nichts, ausser Deuten, gelernt
haben. Dass es aber so ist, wie es ist, und es nun soviele Leute gibt, die nur Deuten können, das hat seinerseits
mehr mit der Unfähigkeit unseres Bildungssystems, als mit der Faulheit dieser Deuter zu tun. Denn wenn es
unserem System gelänge, die Naturwissenschaften besser zu vermitteln, dann wűrden sich nicht soviel Leute in
die Geistesfächer flűchten műssen. Und so wűrde es in diesem Fall auch nicht so viele verlorene Seelen geben.

    2) Die meisten von denen, die die Spekulation einschränken oder verbieten wollen, haben selbst ausser
    Deuten nichts gelernt.

Die Spekulanten nämlich sind keineswegs die einzigen professionellen Deuter, die in dieser Welt unterwegs sind.
Denn zu denen, die nur Softskills erworben haben, und mithin auch nur als Deuter tätig sein können zählen auch
Kulturdezernten, Intendanten, Museumsleiter, Kűnstler, Politiker, Priester, Psychologen, Journalisten,
Marketingbeauftragte, PR-Dienstleister und viele andere mehr. Dasjenige aber, was die meisten anderen
Berufsdeuter von den Spekulanten unterscheidet, ist der Umstand, das letztere im Gegensatz zu den
Kulturdezernenten, Uni-Profs, Politikern und Pastoren nicht von einer staatlichen Alimentierung leben, sondern
sich mit der reinen Deutung den Lebensunterhalt im Markt verdienen. Es mag sein, dass dies der Grund dafűr ist,
warum sie von den alimentierten Deutern so bereitwillig bekämpft werden. Denn immerhin lässt ja schon die pure
Existenz der Spekulanten erkennen, dass es auch fűr einen Geistesmenschen möglich ist, in Freiheit und
Selbstbestimmung zu leben. Dass dies fűr einen angestellten Deuter, der ja in der Rolle des Lohnempfängers
notgedrungen das Lied seines Arbeitgebers singen muss, nicht leicht zu verkraften ist, das wird man durchaus
verstehen können.

    3) Wer nichts ausser Deuten gelernt hat, der kann auf Dauer ein anderes Arbeitsfeld, als dass es Deutens,
    nicht ertragen.

Es wird immer wieder dargelegt, dass es fűr unser Wachstum doch besser wäre, wenn alle die, die nichts ausser
Deuten gelernt haben, mal einer richtigen Arbeit nachgehen wűrden. Und da dies in der Praxis heissen wűrde,
dass sich die Betreffenden in der Folge als Taxifahrer, Hotelportier oder Fabrikarbeiter (so weit hier noch Stellen
vorhanden sind) verdingen műssten, sollte die Frage erlaubt sein, ob unsere postmodernen Deuter in einem
solchem Umfeld wűrden űberleben können. Denn wer mit Haut und Haaren Deuter ist, der ist dies unter anderem
deshalb geworden, weil er ein feines Gespűr und eine hohe Sensibilität fűr jene kaum sichtbaren Entwicklungen
erworben hat, die von anderen zu diesem Zeitpunkt noch nicht als relevant und bedeutsam erkannt werden.
Dieses Feingefűhl aber, dass man, wenn man denn so will, auch Bewusstheit, Wissen oder Bildung nennen
könnte, wird den Betreffenden dann zum Verhängnis, wenn sie sich auf Dauer in einem Umfeld bewegen műssen,
in dem Begriffe wie Feingefűhl, Empfinden oder Ahnung eher ein Kopfschűtteln als ein willkommenes Nicken
hervorrufen. Denn hier wird unser Deuter irgendwann ein so grosses Leiden an sich und der Welt verspűren
műssen, dass er in solchen Umständen seines Lebens nicht mehr froh werden kann. Mit anderen Worten, ein
wahrer Deuter kann die Existenz in einem deutungsfremden Unfeld auf Dauer nicht ertragen. In dieser Hinsicht
geht es ihm wie dem Steiger und dem Bauern auch, der entweder nicht auf die Kameradschaft unter Tage oder
auf die Selbstbestimmung in der frischen Luft verzichten kann.   

    4) Die Spekulation ist entgegen der weit verbreitenden Meinung nicht unproduktiv

Es mag abgestanden klingen, aber es ist dennoch so: Wer spekuliert, nimmt einen Teil desjenigen Risikos auf
seine Schulter, dass derjenige, dem dieses Risiko in Teilen abgenommen wurde, also der herstellende
Unternehmer, ansonsten selbst allein zu tragen hätte. Dass damit aber die Arbeit desjenigen, der ansonsten das
ursprűngliche Risiko allein zu tragen hätte, erheblich erleichtert wird, ist ohne weiteres einzusehen. Ja, man wird
sogar soweit gehen können, zu behaupten, dass durch die Űbernahme eines Risikoanteils unternehmerische
Tätigkeit eher angespornt, als gehemmt wird. Wer also daran interessiert ist, das (richtige!) Arbeitsplätze
geschaffen werden, der sollte es den Spekulanten nicht űbel nehmen, dass sie sich am Risiko der anderen
beteiligen.
Tatsächlich nämlich wäre es ohne die überlegene Kapitalallokation eines freien Spekulantentums
niemals möglich gewesen, ganze Volkswirtschaften, wie etwa die Chinas, Indiens oder Brasiliens in derart kurzer
Zeit auf ein überraschend hohes Niveau zu heben, ohne dass dabei allzu viel Blut vergossen wird.

    5) Nicht alle Spekulanten spekulieren gleichzeitig auf denselben Ausgang. Im Gegenteil, es gibt nicht selten
    ebenso viele unterschiedliche Spekulationen, wie es Spekulanten gibt.

Nun wird gegen unseren Punkt 4 nur allzu gerne eingeworfen, dass die Spekulation doch auch Arbeitsplätze
vernichtet. Und in diesem Zusammenhang wird dann gerne darauf verwiesen, dass es doch gerade die
Spekulation sei, die es den Unternehmen und andere Wirtschaftssubjekten schwer mache, sich aus
vermeintlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten wieder zu befreien. In der Tat wird man an dieser Stelle
eingestehen műssen, dass es hier und da Wirtschaftssubjekte gegeben hat, die űbereilt in einen Untergang
getrieben wurden, der etwa von uns so nicht als nötig angesehen wurde. Richtig aber ist auch, dass hier keiner
so genau weiss, was fűr alle Beteiligten schlussendlich besser oder schlechter gewesen wäre. Denn auch, wenn
es auf den ersten Blick so aussehen mag, als wenn es fűr die Arbeitnehmer angenehmer wäre, den Arbeitsplatz
möglichst lange zu erhalten, so könnte sich dieser Erhalt doch fűr sie alsbald  zu einem Schrecken ohne Ende
entwickeln. (siehe etwa Holzmann AG, Opel AG etc... ).

Nein, wer hier der Wahrheit ins Auge blicken will, der wird eingestehen műssen, dass das Spekulantentum sowohl
den Untergang als auch das Wachstum gleichermassen beschleunigt. Und so wird man ihm am Ende eigentlich
nur vorwerfen können, dass es den Wandel schneller macht. Dass dies aber etwas notgedrungen schlechtes sei,
das wird man etwa im Angesicht eines dringend reformbedűrftigen Bildungssystem, welches, wie dargelegt, zu
viele Deuter produziert, nicht sagen können.


Natűrlich gibt es gute und schlechte Deuter. Und dass es vielleicht nicht genug gute Deuter gibt, dass hat die
aktuelle Finanzkrise gezeigt. Wir bezweifeln allerdings, dass das Verhältnis zwischen guten und schlechten
Ingenieuren, guten und schlechten Zahnärzten, guten und schlechten Politikern, guten und schlechten
Klempnern, und guten und schlechten Pastoren so viel anders ist, wie dies bei den Spekulanten der Fall ist. Wer
also dafűr sorgen will, dass auf dem Finanzmarkt weniger Schindluder getrieben wird, der sollte sein Geld nicht
einfach so einem anderen Deuter anvertrauen, sondern der sollte besser das Seinige dafűr tun, dass er selbst
(vielleicht durch Mithilfe einer besseren Berichterstattung) zu einem guten Deuter wird.

    7) Die absurd hohen Einkommen mancher Spekulanten sind in erster Linie das Ergebnis einer inflationären
    Reputationsblase und nicht das Resultat einer in diesem Maβe erbrachten Wertsteigerung.  

Manche Deuter werden deshalb hoch bezahlt, weil eine gute Deutung in einer an sich ratlosen Welt von
unerhörter Wichtigkeit ist. Dass es aber so ist, und die als gut angesehenen Deuter so viel mehr Geld verdienen,
als jeder anderer Erwerbstätige auch, das hat vor allem damit zu tun, dass unsere Welt auch nach dem Platzen
der Finanzblase nach wie vor in einer Reputationsblase gefangen ist. Denn immer noch wird in der Gesellschaft
das reine Bekannt- und Anerkanntsein viel zu sehr als Qualitätsmerkmal an sich angesehen. Noch immer werden
anerkannte Autoritäten viel zu wenig in Frage gestellt und nach wie vor sind Letztere zu wenig bereit, auch die
eigene Rolle kritisch zu betrachten. Diese Űberbezahlung des Namhaften aber ist keineswegs auf das
Spekulantentum begrenzt. Auch im Bereich der Kunst, auf dem Gebiet der Unterhaltung oder auch in den
Geisteswissenschaften sind manche Gehälter schlicht und einfach zu hoch. Und in der Tat wird es uns noch teuer
zu stehen kommen, dass diese Reputationsblase bis dato nicht als solche erkannt worden ist.
© Landei Selbstverlag, Inh. Wilhelm Leonards, Gerolstein

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